Dieser Text entstand als Reaktion auf den sexistischen Flyer der RASH und ihren Umgang mit der Kritik daran. Eine Beschreibung der Ereignisse gab es bereits in der TABULA RASA #78, sie braucht an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden. Wir wollen stattdessen darauf eingehen, warum Sexismus und Antifaschismus in der linken Szene unvereinbar sind.

Wenn wir im Folgenden von Antifa bzw. Antifaschismus sprechen, beziehen wir uns auf linken Antifaschismus, der von Aktivist*innen praktiziert wird, die die herrschenden Verhältnisse grundlegend kritisieren und infragestellen [1]. Zweifellos ist Sexismus ein solches, wenn auch gern ausgeblendetes.

Als Autonome und Linksradikale fordern wir nicht weniger als die (Selbst-)Befreiung des Individuums und die Verwirklichung einer freien Gesellschaft, – in der (für uns) selbstredend nicht nur heterosexuelle Cis-Männer [2] die größtmögliche Freiheit erlangen sollen, sondern die Vielfalt menschlicher Ausdrucksformen allen Menschen ohne Angst vor dem Verschieden-Sein zur Verfügung steht. Antisexismus ist deswegen notwendiger Bestandteil jeder politischen Beschäftigung mit emanzipatorischem Anspruch. Es wäre zynisch, insbesondere innerhalb der linken Szene, auf zu begrüßende Veränderungen verzichten zu wollen! Was wir verändern können, wollen wir jetzt verändern und nicht in eine ferne Zukunft aufschieben!

Antifa richtet sich, trotz dieser gängigen Bezeichnung, nicht ausschließlich gegen faschistische Tendenzen, sondern sinnvollerweise auch gegen angrenzende und sich überschneidende Phänomene, wie Antisemitismus, Nationalismus und Rassismus sowie damit verwobene Herrschaftsverhältnisse.

Faschismus und Sexismus verbinden sich beispielsweise, wo sich beide auf Biologismen berufen, naturalisierende Zuschreibungen auf Menschen betreiben und wo sie Menschen in Gruppen mit unterschiedlichen Zugängen zu Macht einteilen. Faschismen und ähnliche Herrschaftsformen wurden immer stabilisiert durch Sexismus als Gewaltverhältnis, in dem alle Individuen im Konstrukt „Volksgemeinschaft“ aufgehen sollten – Frauen in der privaten Sphäre und in der Familie, Männer in der Öffentlichkeit, in der kulturellen und politischen Sphäre.

Unsere heutige Antifa-Arbeit wäre ohne die Beiträge von Frauen*[3] nicht denkbar. Und auch die Geschichte hat bedeutende Antifaschistinnen hervorgebracht. Dies wollen wir als Wertschätzung der Arbeit, die Frauen* leisten, verstanden wissen. Wer Frauen* aus der Antifa-Arbeit ausschließt, sei es „aktiv“, indem ihnen mangelnde körperliche Durchsetzungsfähigkeit unterstellt wird, sei es „passiv“ durch Ignorieren ihrer Beiträge und insbesondere dominantes männliches Redeverhalten, oder Frauen* nur als Deko auf Soli-Partys bzw. in Service-Tätigkeiten wie An-der-Theke-Stehen oder Aufräumen sehen will, wer Frauen* durch sexistische Sprüche, sexistische Werbung und vermeintliche Späße oder die Tolerierung all dessen abschreckt, ist weder Linke*r noch Antifaschist*in im emanzipatorischen Sinne. In diesem Kontext wirken auch gewaltaffine Männlichkeitsdarstellungen auf Demonstrationen auf viele Frauen* abschreckend. Exemplarisch dafür steht der Wandel des Schwarzen Blocks von einer begründeten, gegen polizeiliche Repression sinnvollen Aktionsform hin zu einer, wenn auch nicht immer, doch oft bloßen Visualisierung vermeintlicher „Militanz“ durch schlagkräftig wirkende, sportliche, junge Männer, die leicht den Eindruck erwecken, da könne man als Frau* nicht mithalten [4]. Wir wollen an dieser Stelle auf keinen Fall den notwendigen antifaschistischen Selbstschutz infragestellen und auch politisches konfrontatives Verhalten von unserer Seite nicht delegitimieren. Aber wenn es anfängt, wie die Suche nach gewöhnlichen Schlägereien von gewöhnlichen sexistischen Männern auszusehen, klingeln die Alarmglocken bei uns

Anders als die RASH Hannover es darstellen, ist Sexismus keine „Meinung“, sondern alltägliche, bittere Realität. Auch in unseren Reihen finden sich Frauen*, die auf vielfältige Weise von sexistischer und sexualisierter Gewalt betroffen sind und/oder waren, und Trans*leute, denen nicht nur die Gesellschaft im Allgemeinen sondern auch die Szene im Speziellen das Leben schwer macht und – guess what – Männer, die unter den herrschenden Geschlechterverhältnissen und Rollenerwartungen leiden. Als Genoss*innen, Freund*innen und oft auch als zufällige Zeug*innen von Übergriffen in der Öffentlichkeit verhalten wir uns dazu politisch, solidarisch mit den Betroffenen. Solidarität ist ein wichtiger Faktor in unserer politischen Arbeit. Für uns bedeutet Solidarität nicht nur, eine Soli-Party nach dem Naziaufmarsch zu veranstalten, damit die Antirepressionskasse stimmt, sondern auch, füreinander da zu sein, wenn wir an den herrschenden Verhältnissen zu verzweifeln drohen. Und definitiv gilt unsere Solidarität auch Frauen*, die sexistische Erfahrungen machen und bewältigen müssen.

Fragen nach dem Umgang mit sexistischem Verhalten in der linken Szene stellen sich in der Realität sehr häufig. Dort wo diese Fragen nicht thematisiert werden, heißt das nicht, dass Sexismen nicht vorkommen würden, sondern es weist eher auf Ungleichgewichte in der Priorisierung politischer Betätigungsfelder hin.

Wenn man von Genoss*innen auf kritikwürdiges Verhalten aufmerksam gemacht und zur Auseinandersetzung aufgefordert wird, ist Schweigen keine Option. Auf die Auseinandersetzung nicht einzugehen bedeutet eine Geringschätzung der Kritiker*innen. Wenn wir es den RASH nicht wert sind, sich mit uns zu streiten, dann verzichten wir bereitwillig auf die Zusammenarbeit mit den RASH. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Vorurteilen, Privilegien und verinnerlichten

Verhaltensweisen ist ein schmerzhafter, aber notwendiger Prozess. Es gibt viele Angebote, die dabei unterstützen, Literatur, Workshops, Seminare und auch Freund*innen und Genoss*innen können eine wichtige Hilfe sein. Aber: Es ist nicht die Aufgabe von Frauen*, Männern* zu erklären, was an ihrem Verhalten sexistisch ist oder nicht.

Ansonsten halten wir es mit den Genoss*innen aus Wien: „Lieber mal die Szene spalten, als Idioten auszuhalten!“ [5]

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[1] Was nicht heißen soll, dass Antifaschismus per se „revolutionär“ sei. Vgl. z.B.: Phase 2.01, Sommer 2001 u. Phase 2.02, Herbst 2001 (online: http://phase2.nadir.org/rechts.php?seite=3)

[2] Als Cis-Gender wird die Übereinstimmung von körperlichem Geschlecht und Geschlechtsidentität bezeichnet, um deutlich zu machen, dass diese Übereinstimmung keineswegs selbstverständlich ist.

[3] Die Bezeichnungen Frau* und Mann* meinen jeweils Menschen, die unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht als „Männer“ bzw. „Frauen“ wahrgenommen werden.

[4] Lesetipp: AG Milli tanzt!: „Männer – Macker – Militanz. Notwendige Fragestellungen für eine emanzipatorische Praxis“. In: Malmoe 52, Wien 2011 (online: http://www.malmoe.org/artikel/widersprechen/2149)

[5] http://aua.blogsport.de

Erstveröffentlicht in Tabula Rasa #80