Die Feuerzangenbowle – ein reiner Unterhaltungsfilm?

Jedes Jahr, kurz vor Weihnachten, wird landauf landab der Film „Die Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann gezeigt. Die Geschichte handelt vom Schriftsteller Johannes Pfeiffer, der sich als Schüler verkleidet, aufs Gymnasium geht und den dortigen Lehrern eine Reihe von Streichen spielt. Sie basiert auf einem Roman, den Hans Reimann und Heinrich Spoerl 1933 veröffentlichten und wurde u.a. 1944 mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle verfilmt – ein „zeitloser Klassiker“, so wird der Film beworben.

Was viele nicht wissen: der Film enstand im Frühjahr 1943 auf dem Ufa Gelände in Babelsberg bei Berlin. Zu diesem Zeitpunkt tobte bereits der von Goebbels im Februar 43 ausgerufene „totale Krieg“ – so sehr, dass die Aufnahmen wegen der Luftangriffe in schalldichten Studios stattfinden mussten. Regisseur des Films war Carl Froelich, Präsident der Reichsfilmkammer und NSDAP Mitglied. Auch Heinz Rühmann diente sich den NationalsozialistInnen an, ließ sich 1938 von seiner jüdischen Frau scheiden und wurde in einer Zeit, als viele KünstlerInnen das Land verließen oder in Konzentrationslager gebracht wurden, zum Star.

 

 

 

 

 

 

 

Die Feuerzangenbowle“ ist ein Unterhaltungsfilm. Trotzdem hatte er als solcher insbesondere zu seiner Entstehungszeit eine klare Funktion: Unterhaltungsfilme dienten dazu, Propanganda auf eine Art und Weise zu transpostieren, die vordergründig unpolitisch ist. Goebbels erklärte bereits 1937 vor der Reichsfilmkammer:

In dem Augenblick, da eine Propaganda bewusst wird, ist sie unwirksam. Mit dem Augenblick aber, in dem sie als Propaganda, als Tendenz, als Haltung im Hintergrund bleibt und nur durch Haltung, durch Ablauf, durch Vorgänge, durch Kontrastierung von Menschen in Erscheinung tritt, wird sie in jeder Hinsicht wirksam.

Pfeiffer lehnt sich gegen bürgerliche Ideale auf, am Schluss nimmt er diese jedoch an und empfindet sie als befriedigend. Widerstand gegen das Bestehende wird als Privileg der Jugend dargestellt, was es mit dem Erwachsenwerden abzulegen gelte. Diese Haltung war den NationalsozialistInnen in Zeiten des Krieges sicherlich mehr als dienlich. Auch wenn ein Produkt, wie dieser Film, immer in einen gesellschaftlichen Kontext gestellt werden muss, transportiert „Die Feuerzangenbowle“ diese Botschaft bis heute. Die Auflehnung gegen Hierarchien, in diesem Falle als Streiche gegen Lehrer dargestellt, wird am Schluss verneint und das Einfügen in die Gesellschaft zum Erstrebenswerten. Eine Botschaft die jeder Person aufstoßen sollte, die sich mit dem was passiert nicht zufrieden geben möchte.

Die Reflexion aktueller Ereignisse soll nicht stattfinden. Pfeiffer erklärt am Schluss des Films: „Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir in uns tragen, Träume, die wir spinnen und Sehnsüchte, die uns treiben.“ Eine Aussage, die vor dem Hintergrund von Krieg und Diktatur besonders erschreckend ist, da sie nicht nur das individuell verständliche Fliehen vor der Realität, sondern deren filmisch inszenierte Verleugnung in sich trägt.

Darüber hinaus wird Beständigkeit über den historischen Zusammenhang hinaus propagiert – der Film spricht von einer „guten alten Zeit“ lässt jedoch offen, wann sie stattgefunden habe und reproduziert auf diese Weise ein Bild von naturhaften Zuständen, die unabhängig vom geschichtlichen und sozialen Zusammenhang bestehen würden. Gesellschaftlicher Wandel existiert nur im Sinne der Vorstellung einer „neuen Zeit“ (Zitat des Oberlehrers Dr. Brett). Ebenso wie die eben genannte Zuschreibung einer „Natürlichkeit“ gesellschaftlicher Zustände, wird damit NS Propaganda betrieben. Der Begriff der „neuen Zeit“ war Anfang der 1940er Jahre als Teil dieser bekannt.

Einer von Goebbels letzten Wünschen war es, dass die Filmproduktionen des Nationalsozialismus diesen überdauern und die Wahrnehmung des Dritten Reiches prägen würden. Solange ein Film wie „Die Feuerzangenbowle“ nicht als Produkt des Faschismus ernst genommen wird, werden die Werte, die dort verbreitet werden nicht verschwinden. Deshalb sollte der Film nicht gezeigt werden, ohne, dass über seinen Kontext und die Zielsetzung diskutiert und informiert wird.